Was Psychotherapie für mich bedeutet 

Der Psychotherapeut schafft einen ganz bestimmten Rahmen. Einen Rahmen der unbedingten Wertschätzung, der absoluten Vertraulichkeit, der Akzeptanz und der Einfühlung. Ein Gespräch zwischen Therapeut und KlientIn soll stattfinden, in dem KlientInnen sich gehört fühlen, das Gefühl haben sich nicht verstellen zu müssen, sondern mit ihren eigensten Anliegen auf ein offenes Ohr zu stoßen. Der Psychotherapeut hilft dann zu analysieren, neu zu deuten und Veränderungsprozesse anzuregen.  

Psychotherapie ist dabei mehr als eine Technik, mehr als eine bloße Methode, 'psychische Störungen' zu reparieren. Der Psychotherapeut ist kein Handwerker, er stellt nichts her, macht nichts, was man wirklich 'angreifen' kann. Die harte Arbeit in der Psychotherapie macht eigentlich der Klient. Schön dazu finde ich eine Analogie, die der griechische Philosoph Sokrates zur Beschreibung seiner philosophischen Tätigkeit verwendet hat. 

Sokrates nämlich war von Grundberuf Geburtshelfer und er meinte, dass seine spätere Tätigkeit, das Führen philosophischer Gespräche, etwas wie Geburtshilfe sei. Der Geburtshelfer bringt das Baby nicht zur Welt, das muss die Mutter selbst übernehmen, aber er war bei einigen Geburten dabei, kennt einige Kniffe und unterstützt sie wo er kann. So stellt er auch als Philosoph keine Ideen, keine Lebenslösungen, keine Lösungen philosophischer Probleme für seine Gesprächspartner her, nein, er selbst muss in erster Linie wissen, dass er nichts weiß und hilft durch geschicktes Fragen seinen Gesprächspartnern, Probleme in einem neuen Licht zu sehen.  

Die Analogie finde ich sehr passend für die psychotherapeutische Tätigkeit. Auch der Psychotherapeut, soll in gewissem Sinne wissen, dass er nichts weiß, er soll wissen, dass der Klient Experte für sein Leben in (s)einer unheimlich komplexen Welt ist. Der Therapeut muss versuchen, zu verstehen und hat im Angebot ebenso wie Sokrates keine vorgefertigten Lösungen, sondern Fragen, bestimmte Gesprächs- und Interventionstechniken die KlientInnen dabei behilflich sein können, ihre eigenen Lösungen zu finden. So ist auch der Therapeut wie ein Geburtshelfer - er fühlt mit, hört zu, kennt einige Techniken und Kniffe die die KlientInnen dabei unterstützen, ihre eigenen Lösungen zu gebären.
Schön formulierte es auch Galileo Galilei:
"Man kann einem Menschen nichts lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken." 

Was den systemischen Ansatz von anderen Therapierichtungen unterscheidet 

Der systemische Ansatz ist einer der am weitesten verbreiteten psychotherapeutischen Schulen in Österreich. Seit den Anfängen, die der systemische Ansatz in der systemischen Familientherapie hat, hat sich einiges getan. Therapeuten haben in unterschiedlichsten Bereichen und Settings gearbeitet und nach und nach haben sich verschiedene neue Schulen entwickelt.  

Einige Aspekte und Arbeitstechniken sind allerdings besonders markant und typisch für systemisches Arbeiten. Einige davon, die mich in meiner Arbeit besonders inspirieren, sind die folgenden:

Offenheit
Die meisten Systemiker teilen die erkenntnistheoretische Haltung des Konstruktivismus. Das bedeutet, wir glauben nicht, dass es die eine Wahrheit gibt, die für uns alle gleichbleibend existiert, sondern daran, dass wir uns unsere Wahrheiten und Welten stets aktiv bewusst und unbewusst erschaffen (konstruieren). Aus diesem Gedanken resultiert ein besonderes Interesse an alternativen Weltsichten und Lebensentwürfen sowie ein besonderes Maß an Toleranz und Akzeptanz diesen gegenüber.

Ein spezielles Interesse an sozialen Zusammenhängen
Systemiker sind stark daran interessiert, wie psychische Probleme sozial bedingt und verstärkt werden. Daraus resultiert einerseits der Fokus auf das Mehrpersonensetting (Paartherapie, Familientherapie), sowie bestimmte Interventionen wie zum Beispiel die Arbeit mit dem Familienbrett, zirkuläre Fragen, Soziogrammarbeit etc.

Ressourcenorientierung
Es kann passieren, dass man vor lauter Problemen völlig den Blick für die eigenen Ressourcen verliert. Ein guter Teil der Arbeit eines systemischen Therapeuten ist so der Lösung des Problems und den Ressourcen der Person gewidmet. Probleme sind immer schon verdeckte Lösungen, könnte man als systemischer Therapeut formulieren. Techniken, die sich dabei als hilfreich erweisen sind etwa Reframings, Skalierung- oder Ausnahmefragen. Auf unserem Praxis-Blog können Sie zu dieser Haltung etwas mehr erfahren.

Interesse an der Art, wie Erlebnisse erzählt werden
Beeinflusst ist meine Arbeit auch von Überlegungen, die aus der Narrativen Therapie kommen. Die Idee dabei ist es, stark verkürzt gesagt, dass wir so sehr in unseren Geschichten leben, dass wir darüber vergessen, dass wir es sind, die diese Geschichten erzählen. In leidvollen Erzählungen etwa nehmen so sehr bestimmte Erzählstrukturen überhand, dass wir nicht mehr in der Lage sind, freudvolle Erfahrungen zu machen. Um wieder neue Erfahrungen zu machen ist es auch wichtig, Erfahrungen neu zu erzählen, alte Erzählmuster zu durchbrechen.  Als Therapeut bin ich insgesamt  sehr daran interessiert, wie etwas erzählt wird, welche Metaphern verwendet werden etc. Dieser Fokus liefert zahlreiche Ansatzpunkte für Interventionen, die helfen können, leidvolle Erzählmuster zu durchbrechen.

Achtsamkeit
Ein anderer wichtiger Einfluss auf meine Arbeit, der nicht direkt aus der systemischen Therapietheorie kommt, sind Konzepte der Achtsamkeit. Ursprünglich aus der buddhistischen Meditationspraxis kommend, haben sich zahlreiche Anwendungsfelder für Achtsamkeit für das Feld der Psychotherapie ergeben. Grundsätzlich geht es, verkürzt gesagt, darum, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit, insbesondere was Körperempfindungen, emotionale Zustände und Geisteszustände betrifft, zu trainieren. In der klassischen Meditationstechnik geht es dabei vor allem um das Wahrnehmen und Akzeptieren der eigenen Zustände, in psychotherapeutischen Zusammenhängen kann die verbesserte Wahrnehmung in Verknüpfung mit anderen Techniken dazu genutzt werden, Zustände auch aktiv zu verändern bzw. hervorzurufen.


 
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